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Evolutionäre Schritte brauchen nicht immer Millionen von Jahren

Wie das Internet die Werbe-Welt seit 20 Jahren grundlegend verändert und was Sie heute wissen müssen, um nicht als Dinosaurier auszusterben.

Disruptive Entwicklungen tun, was ihr Namen verspricht: sie stören und unterbrechen bisherige Geschäftsmodelle. Das Marketing ist hiervon besonders betroffen. Dieser Artikel beschreibt ein paar der aktuellen Strömungen.

Von den 4 Ps im Marketing hin zu den 4 Cs.

Durchs Internet gab es eine Verschiebung der Informations-Hoheit weg von den Unternehmen hin zu den Kunden, d.h. dass Informationen über Firmen und Produkte nicht mehr hauptsächlich durch die Firmen selbst gesteuert werden, sondern dass Kunden mitreden können. Durch die Sozialen Medien wurde das noch exponentiell gesteigert. Marketing, das zuvor ein Mauerblümchen in der Unternehmensleitung war, wurde zum zentralen Instrument der Marken- und Unternehmensführung. Die Unternehmen müssen jetzt vertrauenswürdige Kommunikations-Partner für die Kunden werden, damit ihre Kommunikation geglaubt und im besten Fall geteilt wird. Es sind schon lange nicht mehr die Produkte, die USPs, die Kunden überzeugen und für Absatz sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich sorgen.

Die traditionellen 4 Ps im Marketing (Product, Price, Place und Promotion) sind deshalb in Frage gestellt, weil sie sich hauptsächlich um das Produkt drehen. Die gerade skizzierte Verschiebung vom Produkt über die Kommunikation zum Kundenfokus erfordert eine neue Formel, die einfache Gemüter wie ich leicht verstehen und memorisieren können. Schon 1990 hat Robert F. Lauterborn1 eine 4C-Klassifizierung vorgeschlagen, die viel stärker kundenzentriert ist: Consumer, Cost, Communication und Convenience. Ich bin der Meinung, dass dieser Ansatz sehr gut zu den heutigen Gegebenheiten passt.

Owned Media, Paid Media und Earned Media

Immer neue Begriffe, die Marketer lernen müssen zeigen, dass ein Paradigmenwechsel statt findet. Mit Google, Facebook und Konsorten haben ganz andere „Mächte“ die Vermarktung in die Hand genommen als die historischen Medienkonzerne.

Diese Veränderung ist eigentlich nichts Neues. Schon immer hat die Mund zu Mund Propaganda wunderbar funktioniert und ein ruinierter Ruf galt auch früher als ungünstig für alle Werbebemühungen. Mit den sozialen Medien hat aber die Bewertung von Produkten und Marken eine neue Dimension und eine unheimliche Unmittelbarkeit erreicht. Der Begriff „virale Verbreitung“ bereitet oft nicht nur Medizinern ein ungutes Gefühl, sondern auch Unternehmen.

Owned Media sind alle Medien, die einem Unternehmen gehören und über die es die absolute Kontrolle hat. Dazu gehören zum Beispiel der Geschäftsbericht oder die eigene Firmenzeitschrift, die eigene Website und Youtube-Kanäle.

Paid Media beinhaltet die Medien, die man für Geld kaufen kann. Also bezahlte Werbung aber nicht auf eigenen Plattformen: zum Beispiel TV-Werbung, Publi-Reportagen, auch Google-AdWords gehört in diese Kategorie.

Earned Media muss man sich verdienen und kann sie nicht kaufen. Hier sind alle redaktionellen Kanäle zu nennen, die nicht zum Unternehmen gehören. Was hier geschrieben und verbreitet wird, geschieht nicht im Auftrag des Unternehmens, es hat keinen direkten Einfluss darauf.

Die klassische Werbung baut ganz auf Paid Media – mit viel Geld kann man auch viel Werbung machen. Die Glaubwürdigkeit von Earned Media ist aber enorm viel höher, als alles was man mit Geld kaufen kann. Besonders hat das zum Beispiel die Reisebranche gespürt. Ohne zuerst Tripadvisor zu befragen, wird oft selbst in der Provinz kein Restaurant besucht.

Vormarsch der Technologie

Etwas mehr im Hintergrund findet im Moment ein weiterer evolutionärer Schritt statt: nachdem das Marketing die Unternehmen übernommen hat, übernimmt nun die Technologie das Marketing2. Wenn das auch eine reichlich überspitzte Ausdrucksweise ist, so ist sie doch im Kern stichhaltig. Skynet hat zwar noch nicht die Kontrolle über alle Maschinen übernommen, aber wer könnte sich anmassen zu sagen, er könne RTB3 ohne computergestützte Hilfe noch überblicken oder nachvollziehen! Die Anzahl der Werbekanäle wächst und ohne technische Hilfsmittel verliert der Marketer schnell den Überblick. Mit Big Data kam noch ein neuer Faktor hinzu: Es gilt in kürzester Zeit riesige Datenmengen auszuwerten und damit in Echtzeit die Anzeigenschaltung im Web zu personalisieren. Und zu guter Letzt macht die Technik die Werbung auch noch messbar. Sie zeigt uns auf, ob unsere Marketing-Ziele erreicht wurden oder nicht.

Tatsächlich geben in manchen Firmen die Marketing-Abteilungen schon mehr für IT aus als die Informatik-Abteilungen. Die gute alte Excel-Liste reicht für die meisten nicht mehr aus.

Customer Journey wird immer wichtiger

„Der «Sinn» einer Botschaft entsteht erst im Kontext der Konsumenten und ist nicht mehr vorformatiert im Produzentenkontext.“4

Unternehmen erforschen heute die Reise eines Kunden vom ersten Kontakt bis zum „Tod“. An jedem Berührungspunkt zwischen Kunden und Unternehmen, sogenannten Touchpoints, sollte auf Situation und Kunden zugeschnitten die richtige Botschaft gebracht werden um aus normalen Passanten zahlende Kunden zu gewinnen. Je passender für den Kunden Kontext und Werbung erscheinen, desto „sympathischer“ kommt die Werbung an. Das gilt natürlich auch, wenn die Werbung bewusst den Rahmen sprengt. Aber auch hier gilt: wer die Regeln kennt, kann sie gezielt brechen.

Mobile first

Smartphones sind mittlerweile nicht mehr Second oder Third Screen sondern tägliche Begleiter von Millionen von Menschen und damit First Screen. Damit wird das Smartphone häufig zum Startpunkt der Customer Journey. Viele propagieren jetzt eine Mobile-first-Strategie5. Das bedeutet, das ein Angebot zu allererst für mobile Endgeräte produziert wird noch bevor die Desktop-Version folgt. Damit wird eine möglichst hohe Reichweite angestrebt. Mobile Angebote sind jedoch immer – durch die geringe Bildschirmgrösse und evtl. beschränkter Bandbreite – reduzierte Angebote im Vergleich zur Desktop-Version. Sie bieten jedoch zusätzliche Möglichkeiten wie zum Beispiel Geotargeting. Die heutige Entwicklung in fast allen Märkten weltweit lässt den Schluss zu, dass es durchaus klug ist, die mobilen Endgeräte nicht aus den Augen zu verlieren! In einem Interview sagte unlängst Leo Burnett: „Mobile wird eine gigantische Rolle spielen. Der kleine Bildschirm unserer Smartphones: Das ist die Zukunft.“6

Fazit

Noch nie haben wir in einer so spannenden Zeit fürs Marketing gelebt. Die rasend schnelle Entwicklung ist auf der einen Seite beängstigend auf der anderen berauschend.

Wir empfehlen auf alle Fälle dran zu bleiben und mit Experimentieren anzufangen. Kleine Schritte wagen und aus Erfahrungen lernen. Auch wenn Sie noch kein Big Data in Ihre Werbung einfliessen lassen, beginnen Sie mit Ihren Kundendaten – Sie wissen mehr über Ihre Kunden als Sie denken. Gehen Sie mit Fragen an Ihre Daten: Wo treffe ich meine Kunden an (Touchpoints)? Was sagt das Einkaufverhalten über einen Kunden aus? Interessiert wirklich jeden Kunden der gleiche Newsletter?

Wenn Sie wollen, beraten wir Sie gerne dabei, kleine evolutionäre Schritte mit Ihren Möglichkeiten in Angriff zu nehmen.

 


  1. Lauterborn, B. (1990). New Marketing Litany: Four Ps Passé: C-Words Take Over. Advertising Age
  2. Scott Brinker, A new Brand of Marketing, The 7 Meta-Trends of Modern Marketing as a Technology-Powered Discipline, 2014, chiefmartec.com
  3. Real Time Bidding (z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Real_Time_Bidding)
  4. Interview mit Dr. David Bosshart, Trendforscher und Geschäftsführer des GDI Gottlieb Duttweiler Institute im Newsletter DirectPoint 09/15
  5. http://www.goldbachgroup.com/newsroom/news/news/mobile-first-beobachtungen-aus-dem-silicon-valley
  6. http://www.persoenlich.com/news/werbung/leo-burnett-mainminoch-nie-zuvor-war-kreativitaet-so-wertvoll-323480#.VgEHuLSOPLe
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